
Bauprojekte werden komplexer, die Anforderungen an Brandschutz, Energieeffizienz und technische Gebäudeausrüstung steigen. Viele von Ihnen erleben täglich, dass klassische 2D-Pläne im PDF nicht mehr ausreichen: „Zweidimensionale Pläne sind sehr aufwändig zu lesen, oft weiß man gar nicht mehr, was übereinander und was untereinander liegt.“
Aus unserer Sicht ist Bauen mit den alten Methoden heute schlicht nicht mehr beherrschbar – die Lösung heißt BIM-gestützte TGA-Planung 4.0.
In diesem How-to-Artikel zeigen wir Schritt für Schritt, wie wir als BIM Dienstleister und Elektrotechnik Planungsbüro bei Kaiser-Amm den Weg vom 2D-PDF zum intelligenten IFC-Modell gestalten – und wie Sie diese Arbeitsweise in Ihren Projekten nutzen können.
1. Vom 2D-PDF zum zentralen IFC-Modell
In der alten Welt startete jede TGA Planung mit einer Sammlung von DWGs oder PDFs – je Geschoss ein Plan, häufig mit Maßstabs- und Nullpunktproblemen. Jede Disziplin (Elektro, HLS, Statik) pflegte ihre eigenen Stände, die mühsam abgeglichen werden mussten. Kollisionsprüfungen? Praktisch nicht vorhanden.
In der BIM-TGA-Planung 4.0 ist der Einstieg klar definiert:
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Architekt erstellt ein zentrales 3D-Gebäudemodell und exportiert eine konsolidierte IFC-Datei:
- alle Geschosse
- alle Höhen
- klare Koordinaten und Bezugspunkte
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TGA-Fachplanung liest die IFC ein
Wir als TGA Fachplaner sehen das Gebäude „in einem Guss“ und haben eine belastbare Grundlage ohne Maßstabs- und Nullpunktprobleme. -
Single Source of Truth
Es gibt eine IFC-Referenz je Gebäude, auf der alle weiteren Fachmodelle aufsetzen. Das ist die Basis für saubere BIM Koordination.
2. Separate Fachmodelle: Elektro, HLS, Statik, Bauphysik
Auf Grundlage der Architekten-IFC entstehen nun eigene Fachmodelle:
- Fachmodell Elektro (Starkstrom, Schwachstrom, Gebäudeautomation)
- Fachmodell HLS (Heizung, Lüftung, Sanitär)
- Fachmodell Statik
- Fachmodell Bauphysik
Wichtig für Ihren Planungsalltag:
- In jedem Fachmodell liegen nur die jeweiligen Gewerke.
- Beim Rückspiel an den Architekten wird nur das Fachmodell übergeben – nicht die komplette Architektur.
- Ein Architekt kann z. B. das Elektromodell separat einlesen, prüfen und freigeben.
Das Resultat:
- Weniger Fehler durch klar getrennte Zuständigkeiten
- Effizienter Datenaustausch ohne Datenmüll
- Technische Grundlage für automatisierte Kollisionsprüfung im BIM-Modell
3. Attribute: aus Strichsymbolen werden intelligente Bauteile
In 2D-Plänen war eine Steckdose ein kleines Symbol – nicht mehr. Es gab weder technische Details noch Bezug zu Leistungsverzeichnissen oder zum späteren Betrieb. BIM dreht dieses Prinzip um:
Jedes grafische Symbol wird zu einem intelligenten Bauteil mit Attributen.
Diese Attribute ergeben sich aus:
- Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)
- Vereinbartem Modell-Detaillierungsgrad (MDG 100–500)
- Kombination aus LOG (Level of Geometry) und LOI (Level of Information)
Für eine Steckdose im BIM-Modell können u. a. hinterlegt werden:
- elektrische Kenndaten (Spannung, Leistung, Schutzart)
- Zuordnung zu Stromkreis / Unterverteilung
- Hersteller, Typ, Artikelnummer
- Verknüpftes Datenblatt als PDF
- ggf. Berechnungsergebnisse (z. B. Spannungsfall im 9. OG)
Wenn der Betreiber später im Viewer auf die Steckdose klickt, sieht er im Eigenschaftenfenster genau diese Attribute – statt nur ein Strichsymbol. Das ist die Grundlage für:
- belastbare Fachplanung Elektrotechnik
- saubere Kostenermittlung
- effizientes Facility Management BIM (7D)
4. Systeme: Brandmeldeanlage, Bussysteme & Co. intelligent abbilden
Neben Einzelbauteilen kennt moderne BIM TGA Planung auch Systeme. Ein System fasst Bauteile logisch zusammen, etwa:
- Brandmeldeanlage (Zentrale, Melder, Taster, Ringleitungen)
- KNX-/BACnet-Bussysteme
- RWA-Anlagen
- Lüftungsstränge
Das CAD/BIM-System weiß:
- welche Bauteile zu welchem System gehören
- wie die Leitungsführung aussieht
- welche technischen Grenzen gelten (z. B. maximale Teilnehmerzahl auf einem Busstrang)
Beispiele aus der Praxis:
- In der Elektroinstallation Planung kann automatisch geprüft werden, ob zu viele Busgeräte an einer Linie hängen.
- Für eine Brandmeldeanlage lassen sich Systemübersichten und Stücklisten direkt aus dem Modell erzeugen.
Für Sie als Planer: Mehr Sicherheit und weniger manuelle Fehler – die Software überwacht Regeln, die bisher auf Strichlisten und Erfahrung beruhten.
5. Automatisierte Kollisionsprüfung: wenn Lüftungsrohr auf Kabeltrasse trifft
Mit zunehmenden Anforderungen an Energieeffizienz und Brandschutz drängen immer mehr Leitungen in dieselben Bereiche – insbesondere in abgehängte Decken. Lüftungsrohre, Kabeltrassen, Sprinkler, Rohrleitungen konkurrieren um den gleichen Raum.
Im 2D-Plan lässt sich kaum erkennen, ob Leitungen:
- übereinander
- untereinander
- oder tatsächlich kollidierend geführt sind.
In der BIM-gestützten TGA Fachplanung läuft die Kollisionsprüfung im BIM-Modell weitgehend automatisiert:
- Alle Fachmodelle (Elektro, HLS, Statik) werden im Koordinationsmodell zusammengeführt.
- Kollisionsregeln werden definiert (z. B. Mindestabstände, Brandschutzanforderungen, notwendige Flure).
- Die Software erkennt Konflikte:
- Kabeltrasse schneidet Lüftungskanal
- Leitungen durchstoßen unzulässig Brandwände oder notwendige Flure
- Teilweise kann das System sogar automatisch Umwege vorschlagen (z. B. Kabeltrasse unter dem Rohr hindurchführen).
Diese automatisierte BIM Koordination reduziert Baustellen-Nacharbeiten, Öffnen fertiger Decken und teure Terminverschiebungen erheblich.
6. Aufgaben statt E-Mail-Flut: Issues im Modell verankern
E-Mails sind eine der größten Fehlerquellen im Bauprozess: Missverständliche Betreffzeilen, fehlende Bezüge, übersehene Mails. Deshalb ersetzt BIM schrittweise die Mail-Kommunikation durch modellbasierte Aufgaben (Issues).
Beispiel:
- Früher: „Bitte Leuchte in Raum 2.15 von rund auf eckig ändern.“ – per Mail, ohne klaren Bezug.
- Heute: Der Architekt klickt im Modell die konkrete Leuchte an, erzeugt ein Issue, beschreibt kurz die Änderung und weist sie dem Elektroplaner zu.
Vorteile:
- Jede Aufgabe hängt direkt am betroffenen Bauteil.
- Keine Missverständnisse, welche Leuchte oder welches Rohr gemeint ist.
- Sobald das Issue erledigt ist, wird es geschlossen – Doppelausführungen werden vermieden.
- Alle Projektbeteiligten können im Dashboard sehen:
- offene Aufgaben
- Zuständigkeiten
- Bearbeitungsstand
So entsteht eine strukturierte, nachvollziehbare Aufgabensteuerung – ohne E-Mail-Chaos.
7. Zeitstempel, LV-Automatik und revisionssichere Schemen
BIM-Modelle gehen über 3D hinaus:
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4D – Zeit:
Jedes Bauteil erhält einen Zeitstempel. Im Modell lässt sich darstellen, zu welchem Datum ein Bauteil sichtbar bzw. eingebaut ist. Bauzeitenpläne werden damit direkt ans Modell gekoppelt. -
5D – Kosten:
In der alten Welt hatten Leistungsverzeichnisse oft „nicht besonders viel zu tun“ mit den tatsächlichen Plänen. Mengen wurden händisch mit Lineal und Maßstab ermittelt – fehleranfällig und zeitaufwändig.
Heute werden Mengen direkt aus dem IFC-Modell in die AVA-Software übertragen. Das System:- ermittelt Leitungslängen anhand der echten 3D-Trassenführung (inkl. Steigungen)
- berücksichtigt Formstücke und Zubehör
- erstellt Leistungsverzeichnisse automatisch und revisionssicher
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Revisionssichere Schemen:
Schalt- und Stromlaufpläne, Strangschemata oder BMA-Schemen können automatisiert aus dem Modell generiert werden. Jede Planänderung im Modell schlägt sich im Schema nieder – und nicht umgekehrt.
Für Sie bedeutet das:
- weniger Routinearbeit
- mehr Zeit für die eigentliche Fachplanung Elektrotechnik und TGA-Konzeption
- höhere Kostensicherheit durch konsistente Daten
8. Facility Management von Anfang an mitdenken (7D)
Rund 80 % der Lebenszykluskosten eines Gebäudes entstehen im Betrieb, nicht im Bau. Deshalb integriert moderne BIM TGA Planung von Anfang an Anforderungen des Facility Managements (FM):
- Attribute enthalten FM-relevante Informationen:
- Hersteller, Typ, Wartungsintervalle
- Seriennummern, Einbaudatum
- Verweise auf Wartungsanleitungen und Datenblätter
- Das FM kann später im Viewer:
- auf eine Leuchte klicken und sofort sehen, welcher Typ verbaut ist
- bei Defekt gezielt Ersatz beschaffen
- Wartungen digital dokumentieren
So wird aus dem BIM-Modell ein zentrales Werkzeug für Facility Management BIM (7D) – statt einer Ansammlung von PDFs im Archiv.
9. Praxisleitfaden: In 9 Schritten zur BIM-basierten TGA-Planung 4.0
Zum Abschluss eine kompakte Checkliste, wie Sie die beschriebenen Schritte in Ihrem Projekt umsetzen können:
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AIA definieren
Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) mit gewünschtem MDG/LOD/LOI pro Leistungsphase und Bauteilklasse festlegen. -
BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellen
Rollen, Verantwortlichkeiten, Übergabezeitpunkte und Qualitätskontrolle klar definieren. -
Zentrale IFC vom Architekten sicherstellen
Einheitliches Koordinatensystem, Geschosshöhen, klare Modellstruktur. -
Fachmodelle aufsetzen
Separate Modelle für Elektro, HLS, Statik, Bauphysik; klare Schnittstellen und Import/Export-Regeln. -
Attributsets und Systemlogik festlegen
Welche Attribute sind für Planung, Kosten, Brandschutz und Facility Management BIM erforderlich? Wie werden Systeme (BMA, Bus, RWA) abgebildet? -
Regelbasierte Kollisionsprüfung einführen
Kriterien für Kollisionsprüfung im BIM-Modell definieren und regelmäßige Prüfzyklen (z. B. wöchentlich) einplanen. -
Issue-Management etablieren
Aufgaben (Issues) direkt am Modellobjekt erstellen und nutzen – E-Mails nur noch für formale Kommunikation. -
AVA-Schnittstellen testen
IFC-Export nach AVA-Software ausprobieren, LV-Automatik an einem Pilotbereich verproben, Mengen und Preise validieren. -
BIM-Kompetenz bündeln
BIM-Koordinator:in benennen oder einen erfahrenen BIM Dienstleister für TGA Fachplanung wie Kaiser-Amm einbinden – insbesondere bei komplexen oder kritischen Projekten.
Fazit:
Der Weg vom statischen 2D-PDF zu intelligenten IFC-Modellen verändert den Planungsalltag in der technischen Gebäudeausrüstung grundlegend. Mit Attributen, Systemlogik, automatisierter Kollisionsprüfung und modellbasierter Aufgabensteuerung reduzieren Sie Fehler, erhöhen die Qualität und schaffen Transparenz für alle Beteiligten – von der TGA Fachplanung bis zum Facility Management.
Wenn Sie Ihre nächste BIM TGA Planung oder eine laufende Projektrettung strukturiert und digital aufsetzen möchten, unterstützen wir Sie bei Kaiser-Amm als partnerschaftliches Elektrotechnik Planungsbüro und BIM-Spezialist – von der ersten IFC bis zum revisionssicheren Betrieb.